Landesklasse Mitte / 4. Spieltag / SV Germania Mittweida gegen SC 1999 Altmittweida - Derbyzeit, bis der Auswärtsmob explodiert
Nach der leider torlosen dynamischen B-Juniorenhuldigung im Chemnitzer Sportforum führte den Pivomann und mich die gestrige Reise ins "Stadion am Schwanenteich" nach Mittweida.
Hatten wir vorher noch bei den B-Junioren 5 € Eintritt gelöhnt, verlangte man hier 4 € pro Mann. In Tribünennähe stieg Qualm auf und ein Anzünderduft zog in unsere Nüstern - oh, der Grillmeister dort drüben macht wohl kurzen Prozess und fackelt gleich sein Arbeitsgerät mit ab? Egal, mir knurrte der Magen, die Roster nebst Brötchen für 3€ war nicht schlecht, das gekühlte Bier für ebenfalls 3€ spülte alles gut runter. Die Tribüne war bereits übervoll, also gings für uns runter direkt an die Spielfeldumrandung zum besonders hautnahen Erlebnis.
Dieses Spiel sollte sich dann als das entpuppen, was bodenständigen Fußball ausmachen sollte. Heimfans mit alleine schon trommlerischer Unterstützung, bei der man automatisch an den guten Manolo - Friede seiner Asche - denken musste. Und die Auswärtsfans haben dem noch eins draufgesetzt, gefühlt halb Altmittweida war stimmgewaltig vor Ort, von Beginn an wars fast ein Heimspiel für die Gäste.
Kleine Anekdote am Rande: In der ersten Hälfte standen neben uns paar Kinder und jedes dritte ausgesprochene Wort eines Satzes lautete "Digga". Ich war schon Augen rollend kurz davor rüberzurufen "Nu erzähl och ma was Anderes - Dünna", aber das Spiel war ablenkend genug.
Denn die Partie ist mit typisch Derby bestens beschrieben: Rassige Zweikämpfe, Emotionen auf und neben dem Platz, bei einer Verteidigungsaktion rasselten im Eifer des Gefechts in der 20. Minute zwei Spieler der Heimelf mit den Köpfen zusammen - schlagfertiger Kommentar der Auswärtsfans "Eh Schierieee - Beide gelbe Karte". Einer der Beiden konnte nicht weitermachen und wurde abtransportiert, gute Besserung.
Bis zum Strafraum wurde um jeden Ball gekämpft, im Sechzehner ergaben sich aufgrund der relativ stabilen Abwehrreihen aber kaum Möglichkeiten.
In der Halbzeitpause wurde ein verdienter Mensch des Heimvereins zum gestrigen 60. Geburtstag geehrt und bekam ordentlich Beifall. Ich hatte mit mehreren Stehnachbarn nebenbei ein kurzes Fachgespräch über den Wahnsinn, der da besonders im oberen Juniorenbereich den Vereinen bald aufgezwungen wird, man war sich abwinkend mit nem Blick zu nem Mini-Regenbogen zu 100 Prozent einig.
Die zweite Hälfte war genauso intensiv, was auch nach den späteren Wechseln auf beiden Seiten so weiterging. Die letzten Minuten waren dann der helle Wahnsinn: In der 88. Minute bekam ein Mittweidaer Spieler die gelb-rote Karte und seine Kameraden blieben, auch um den Ball vom eigenen Strafraum fernzuhalten, im Angriffsmodus. In Minute 90 ein Zweikampf im Altmittweidaer Strafraum und tatsächlich pfiff der Schieri Elfmeter für Mittweida, welcher von Nick Goeschel eiskalt verwandelt wurde, die linke Seite der Haupttribüne war nun schon in Feierstimmung. Sehr bitter für die Gäste bei dem Einsatz übers gesamte Spiel.
Was aber noch nicht vorbei war, vier Minuten Nachspielzeit wurden angezeigt, es wurden aufgrund der nun "eingebauten" Verzögerungen der Gastgeber derer Sieben. Und die Gäste wurden nun von ihrem Anhang mit einem Mann mehr nach vorn gepeitscht, in der 94. Minute eine Flanke in den Strafraum - rausgeköpft, verdammter Mist. Der letzte Angriff drei Minuten später, der Schiedsrichter schaute schon auf die Uhr, erneute scharfe Flanke von Links und irgendwie bugsierte Patrick Richter den Ball tatsächlich zum hochverdienten Ausgleich über die Linie - und um uns rum explodierte mitsamt den heranstürmenden Altmittweidaer Spielern alles und jeder mit schwarz-gelbem Herz, die Tribüne über uns zitterte förmlich.
Danach wurde erst gar nicht mehr angepfiffen. Sowas hab ich lange nicht mehr erlebt, Adrenalinschübe bis ins Stammhirn und rasendes Herz, dafür lebst du deine Einstellung zum basisnahen Fußballsport!
Und danach ein Absackerbier in der Sportkantine, auf nem großen Monitor läuft Bundesliga, alles steril und beliebig austauschbar, in Bochum zeigen se einem ne eingebaute Badewanne im VIP-Bereich mit Blick aufs Spielfeld und du weißt, du hast eben dem wahren Fußball-Erlebnis beigewohnt. Denn das, liebe degenerierte DFL, das ist der wahre eSport. Und genau das solltet ihr allen euren (kommenden) Teilnehmern verbindlich in die Lizenzkriterien schreiben - einen regionalen Verein im Breitensport, gerne auch in den gleichen Farben, aktiv zu unterstützen, damit auch dort die Kinder von ihren scheiß Konsolen wegkommen und vermehrt das Tageslicht sehn. Und sich wirklich bewegen, denn das ist doch eure Propaganda mitsamt eurer DFB-Mutter oder habt ihr mit eurem eSport-Müll dann doch ganz andere Absichten, hmm?
Die naggsche Statistik:
Mittweida = 1, Altmittweida = 1
479 (offiziell gezählte) Zuschauer mit ner Stimmung für 4000.
Der Spieler des Tages war der Altmittweidaer Torwart: Der hatte paar Ausflüge inkl. bis hin zu Zweikämpfen an der Eckfahne parat, da wirste als Trainer wahnsinnig. Wir haben ihn spontan unter Gelächter als den Piplica von Altmittweida betitelt. Sein Trainer blieb immer ruhig, der wusste wohl schon im Voraus, dass da nix schief geht. Und es ging auch immer gut, auch in diesem Stadion.
Ein sehr geiler Nachmittag war das, Sport frei.