Beiträge von Bierbar Süd

    Überempfindliche fühlen sich immer ausgegrenzt.

    »Durchgeimpfte Antifa« ist immerhin witzig. Wir waren früher auch mal witzig. Wollte ich Gründe finden, St. Pauli scheiße zu finden, ich fände welche. Wollte ich Gründe finden, Dynamo scheiße zu finden, ich fände sogar noch mehr davon. Dumme Antifaschisten sind mir lieber als Dumme, die keine Antifaschisten sind.

    Früher hat man tagelang gecampt, um an eine Karte zu gelangen. Heute reicht eine Impfpappe plus Lappen vor der Fresse, Bestellung bequem online. Klar ist die Droge Stadionerlebnis gestreckt, dafür ist das, was die Truppe grad raushaut, besser als der Kick der Dürrejahre.

    PS: Und in Rostock bocken die Leute nicht zulasten Ihrer Liebe zum Verein.

    Union hatte nach der Konterrevolution den Vorteil, dass keiner zum Zocken in die Liga 4 kam. Die konnten das Schwimmen im Planschbecken üben, ihre Fehler machen, ohne danach die Konsequenzen jahrelang wie Gewichte hinter sich herschleifen zu müssen, konnten, wo sie wollten, aus unseren Fehlern lernen. Dann haben sie - dem Erfolg nach - viel richtig gemacht und mit Zingler hatten sie einen guten Volkstribun. Sinnbildlich dann aber, wie sie sich mit dem Geld der Fans eine Tribüne hinzimmern mit vielen schönen Logen. Jetzt sind sie eine Marke. Haben wir uns diese widerliche Weihnachtsscheiße von denen abgeguckt?

    Eine Forderung als Ausdruck eines Einzelinteresses ist weit weniger problematisch als eine Entscheidung, die mehrere Einzelinteressen zu berücksichtigen hat. Insofern ist Rottens Irrewerden an der Gesamtsituation nachvollziehbar als ein Leiden an der Komplexität der Gesellschaft. Ebenso wie der Wunsch, den gordischen Knoten auf einfache Weise zu durchschlagen.

    Der Spaltung ist längst manifest, man sieht es so eben nur. Die Fans kommen dennoch wieder, weil die Solidarität schon vorher nicht da ist, wen stört da, neben wem er irgendwann wieder im Stadion zum Sitzen oder Stehen kommt? Der Pöbel vergisst schnell und die Schau muss weitergehen.

    Dann steht der NDR-Beitrag meinetwegen am Ende einer Kette und wurde durch irgendein Ereignis zuvor ausgelöst. Das Prinzip, wonach karitatives Engagement medial ausgeschlachtet wird, bleibt gültig. Das spricht niemals gegen das Engagement selbst.

    Man kann die gute Tat ins Rampenlicht stellen, auf dass sie andere zur Nachahmung anregt. Man kann einer Gesellschaft mit tausend anderen vernachlässigten Problemen mit solchen Beiträgen weihnachtlich das Gemüt streicheln (und sie in der Gewissheit wiegen, dass sich gekümmert wird - ich halte diese Wirkung für wahrscheinlicher). Aber man kann nicht so tun, als stünde diese Wohltätigkeit in keinem Verhältnis. Die Million, die beispielsweise ein Maschmeyer für einen guten Zweck werbewirksam in eigener Sache in der Fernsehlotterie spendet, die hat er vorher dem deutschen Rentensparer tausendmal schon aus der Tasche geriestert. Dieses Pfeifen im Walde hat System. Um fair zu bleiben: Wir leben in einer Gesellschaft, die diesen Taschenspielertrick immer wieder bitter nötig hat.

    Ich gebe Dir gern zu, dass die Erfüllung des letzten Wunsches zu privat ist, um die Gesellschaft zu betreffen, aber das hindert ihre Institutionen nicht daran, sich öffentlich damit zu schmücken, die eigene Christlichkeit zu inszenieren.

    Sensibilisierung ist auch so ein Nullwort. Ein Redakteur aus dem Dritten Programm hat hier willkürlich entschieden, mit welchem Schmalz das Publikum zugekleistert werden soll. Was wird da zusammengeschlossen? Wer sensibilisiert da wen? Die Gesellschaft kann sich doch nicht zuständig erklären für die Dinge, die ein verantwortlicher Berufsalkoholiker ins Dritte hievt.

    Das Ringen um Sichtbarkeit ist doch schon wieder Wettbewerb, wo Wettbewerb nichts zu suchen hat (Gesundheitswesen). Als sollten die Köpfe der Hilfsbedürftigkeitshydra miteinander konkurrieren. Dem ungeachtet ist das doch bereits das Eingeständnis, dass hier etwas im Argen liegt. Das Pfeifen im Walde. Man muss nichts sichtbar machen, was eh funktioniert, gerade dann nicht, wenn es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt.

    Berechnender Sozialkitsch. Die Reisegruppe Tristan hat sehr wohl etwas vom Stadionbesuch, was sie von der Fernsehberichterstattung haben soll, erschließt sich mir weniger. Was nur wieder passiert ist: die Öffentlichkeit feiert sich an einem Tag im Jahr dafür für das, was ihr den Rest des Jahres am Arsch vorbei geht, wo auch nur das Leben zählt, das gesund zur Arbeit erscheint.

    Nicht zu vergessen, dass bei solchen karitativen Inszenierungen stets die Privatinitiative besonders hervorgehoben wird, wo der Staat in der Pflicht sein sollte, weil es ums Gemeinwohl (hier: Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen) geht.