Beiträge von Bierbar Süd

    Seiferts einziger Job ist der Wert der Bundesliga. Aber er hat nicht zuallererst die Aufgabe, eine spannende Bundesliga zu ermöglichen. Der Wert der Bundesliga wird international gehandelt, er steigt, je mehr potentielle Championsleague-Sieger die Bundesliga hervorzubringen vermag. Das ist Bayern und in 10-Jahresintervallen noch mal eine andere Truppe. Seifert hat also die Aufgabe, diesen Truppen auf Platz 1+ im internationalen Wettbewerb die bestmöglichen Startbedingungen zu ermöglichen. Da die Bundesliga durch die 50+1-Regel durchaus investitionsfeindlich ist und also gegenüber England einen groben Wettbewerbsnachteil hat, steuert die DFL das über das TV-Geld (wovon sie auch noch weniger hat). Die Premier League wiederum hat bei der TV-Quote ein flacheres System. Um diese Quotensauerei vor dem deutschen Zuschauer zu vernebeln, legt Seifert den Evergreen »Everyone's a winner babe« von Hot Chocolate auf. Was Rummenigge, Watzke, Seifert hier in eine Kerbe hauen, glauben sie am Ende selbst nicht. Der einzige, dem das mit Sicherheit gelingt, ist Hoeneß.

    Einer wie Seifert hat in diesem Land leicht dumm sein, Zitat Kicker:

    »Eine Gleichverteilung [der TV-Gelder] würde ›die Meisterschaft nicht spannender machen‹, sondern ›stattdessen Klubs wie Eintracht Frankfurt und den SC Freiburg, die sich in den vergangenen Jahren durch sportliche Leistungen auch hinsichtlich der Ausschüttung der Medienerlöse nach oben gespielt haben, benachteiligen‹, argumentiert er.«

    Arguwas? Seiferts windschiefe Logik: Die zwei Ausnahmen nach der bisherigen Regel - Freiburg und Frankfurt - gelten einfach als Beweis der allgemeinen Tauglichkeit der Regel. Denn die Leistung der beiden dürfe - will man Seifert tiefer in den Wahnsinn folgen - nicht abgewertet werden dadurch, dass die zukünftigen Teilnehmer an der Rallye auf einmal gerechtere Bedingungen vorfinden als die Underdogs von gestern. Die beiden Glückskinder also, die es mal kurz in die Nähe des Gipfels geschafft haben, sollen jetzt allen Ernstes dadurch belohnt werden, dass es die anderen Racker da unten genauso scheiße schwer haben sollen wie sie dereinst? Mit der Logik legt man kein Milchmädchen flach. Aber Journalisten, die anzeigekundenfreundliche Texte verfassen müssen (für Telekom, Eon, Bayer, schicke Autos).

    Seifert weiter: Es würden [durch eine gerechte (!) Verteilung der TV-Gelder] nämlich »sämtliche Prinzipien von Leistung, Nachfrage und des Miteinanders in dem Markt außer Kraft« gesetzt werden. Bitteschön was? »Miteinander in dem Markt«? Was soll das denn sein? Streichelzoo für Grizzlys? Kennt jemand Beispiele?

    Selbst der letzte in der Nahrungskette in Deutschland, der jammert noch rum, wenn auf einmal einer hinter ihm in der Nahrungskette auftaucht und Hunger hat. Wenn beispielsweise der Berater von Alaba den Bayern ein Angebot schickt, welches die Nachfrage des Marktes nach dessen Leistung zugrunde legt. Was kann denn Alabas Berater für den Markt, der heiß auf ihn ist, weil der Spieler nun einmal nur Vertrag bis 2021 hat? Und man heult, wenn Manchester City und Liverpool noch ein wenig pfeifend um das Schaufenster herumlaufen, in dem Thiago herausgeputzt steht, in der Hoffnung auf ein Schnäppchen. Was 'n jetze? Zu wenig Miteinander beim Gegeneinander?

    Die gute Nachricht zum Schluss: Fußball in Deutschland ist out, Seifert klagt bereits: »Unsere größten Konkurrenten [Merke: ›des Miteinanders in dem Markt‹] der Zukunft sind die Premier League und Netflix.« Bei der Serie Cobra Kai auf Netflix erfährt man jedenfalls mehr über den Markt als bei deutschen Lobbyisten: Strike first, strike hard, no mercy.

    Man täusche sich nur nicht: Die Diskussion um die Rücknahme der Corona-Maßnahmen ist nur eine Nebelkerze. Der Hauptangriff wird im Nachgang auf die 50+1 Regel erfolgen. Man wird mit tragischer Geste auf das Sterben einiger Traditionsvereine zeigen, um deren Arsch dann im letzten Moment für Investoren zu öffnen. Die Corona-Maßnahmen sind dann willkommene Verhandlungsmasse, deren Rücknahme die Fanvertretungen milde stimmen soll.

    Die Verhandlungsposition der aktiven Fans ist nicht einmal so schlecht, wenn sie nicht mehr (zurück-)wollen als das, was man ihnen jetzt (erstmal) verwehrt: Alkohol, Gästefans, Stehplätze, Nicht-Registrierung. Als Gegenpfand sind sie im Besitz der Stimmung, welche ein nicht zu unterschätzendes Premiumproduktmerkmal ist. Dumm wäre nur, wenn Fans insgesamt mehr Mitspracherechte einforderten (Verteilung & Verwendung der Gelder), was in der Konsequenz die Profitrate des angelockten Kapitals mindern und die Bundesliga weniger interessant für Anleger machen würde.

    Der Zweck der DFL bzw. des DFB aber ist niemals je ein anderer als der: Sicherzustellen, dass ein profitables Investitionsfeld besteht für Werbekunden, Rechteverwerter und sonstige vermögende Interessengruppen.

    Ein "räusper" guter Kapitalist, der seinen Angestellten ordentliche Löhne zahlt, hätte es gar nicht nötig, Geld dafür auszugeben, sich als Sponsor herauszuputzen. Er hätte auch gar nichts über.

    Es gibt Aussagen von so schlichter Schönheit, die muss man einfach nur wirken lassen - diesmal Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef Bayern München:

    »Der Fußball gehört den Fans nicht«

    Es geht um den lästigen Mitsprachewillen der »Ultras«, »Fans« oder so:

    »Aber wenn ich immer nur fordere, aber nie bereit bin, Pflichten und auch Verantwortung zu übernehmen, endet das in einer Einbahnstraße.«

    Das ist das Verständnis eines Managers: Ein Manager hat nicht etwa Gewinnbeteiligung, Privilegien oder Vorteile. Nicht doch. Er hat »Verantwortung« und »Pflichten«, wie jeder, der in dieser Gesellschaft privatwirtschaftlich agiert (und sich zum Wohle aller für die Arschkriecher den Arsch aufreißt). Rummenigge muss einem leid tun, kein Lenin weit und breit, der ihm die Bürde dieser Wohltätigkeit abnimmt. Die 60 Millionen Vermögen werden ihm da kaum ein Trost sein. Das ist noch nicht der Zins des Schmerzensgeldes.

    Rummenigges Gedanken drehen sich unentwegt um das Wohl der gesamten Fußballfamilie:

    »Wem gehört der Fußball? Am ehesten noch denen, die ihn spielen – egal, auf welchem Niveau. Die Fans sind Teil des Fußballs, aber er gehört ihnen nicht.«

    Was wollen die Ultras? Die Aktionärsversammlung stürmen? Die Abschaffung der DFL? Nuja. Die Ultras wollen höflich um Reformen anstehen. Sie bitten irgendwen um einen Termin für:

    »gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder, die Einführung eines nationalen Financial Fairplays und die eindeutige Begrenzung von Investoreneinflüssen aus.«

    Das ist brav sozialdemokratisch und wird also mit ein paar Handschlägen, Gratisgesten, einer Trikotaktion und einem pseudodemokratischen Auschuss-Turnus erstickt werden. Wem gehört denn wohl der Fußball? Den Balltretern? Da schmunzelt Karl-Heinz dann doch. Okay, man kümmert sich eben. Denn: Konkurrenz im Kapitalismus ist immer gedeihlich, niemals hinderlich, daher Rummenigge inbrünstig:

    »Der FC Bayern hat noch nie einen Spieler mit dem Ziel verpflichtet, einen seiner Konkurrenten zu schwächen.«

    Nämlich das Gemeinsame steht im Vordergrund. Basta! Da sollte der Fan doch einsehen, dass es nicht sein Fußball sein kann.